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Foto: © Freddie Collins

Anleihen: Sicherer Hafen oder sinkendes Schiff?

Teil Eins: Ein Blick in die Geschichtsbücher.


Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel. Der Schweiß tropft von der Stirn auf den staubigen, trockenen Boden. Wir sind im antiken Mesopotamien, dem heutigen Irak. 3000 Jahre vor Christus. Die Bauern, die hier auf den Gerstenfeldern schuften, gehören zu einer der ersten Hochkulturen der Menschheitsgeschichte. Gerste und Weizen bildeten damals nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern dienten auch als Zahlungsmittel. Rund 2400 Jahre vor Christus wurde in Nippur eine besondere Bürgschaft in Keilschrift in einen Stein geritzt. Sie garantierte die Zahlung von Getreide durch einen Kapitalgeber und deren Rückzahlung mit zusätzlichen Zinsen. Die Idee der Anleihe war geboren.

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Mehr als nur ein Korn: eine Frühform der Anleihe sicherte die Zahlung von Getreide zu. Foto: © Freddie Collins

Ursprünge in Italien

Wir springen weit in die Zukunft und zwar in das mittelalterliche Venedig. Dort stehen die Herrscher vor einem Dilemma: Kriege sollten geführt werden, doch in den Staatskassen herrscht gähnende Leere. Nichtwissend, dass die Idee keine neue war, beschließt der Stadtstaat, sich bei seinen Bürgern in Form von Anleihen zu bedienen. Anders als heute, handelte es sich bei den sogenannten „Prestiti“ um Zwangsanleihen, wobei jährlich bis zu fünf Prozent Zinsen versprochen wurden. Als Zahlungsbeleg erhielten die vermögenden Bürger der Stadt einen Schuldschein. Der Vorläufer der heutigen Staatsanleihen war erfunden und es dauerte nicht lange, bis ein florierender Handel entstand.

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Venedig häufte durch die ständige Ausgabe von Anleihen einen riesigen Schuldenberg an. Foto: © Daniel Lanner

Vertrauensbonus

Die Niederländer wollten es besser als die Italiener machen – sie setzten auf Freiwilligkeit. Und die Rechnung ging auf. Sie emittierten drei Arten von Finanztiteln: Leibrenten, Erbschaftsrenten sowie kurzfristige Obligationen. Um jedoch nicht in die gleiche Kerbe wie Venedig oder Florenz zu schlagen, wurde vor allem ein Niederländer sehr kreativ: Johan de Witt. Er bekleidete die Position des Staatssekretärs und war darüber hinaus Pionier der Versicherungsmathematik. De Witt berechnete die Lebenswahrscheinlichkeit für verschiedene Altersstufen und daraus unter Anwendung eines Zinssatzes von 4 Prozent den Barwert einer Leibrente. Die Anleger hatten großes Vertrauen in den Staat und waren bereit, in die niederländischen Papiere zu investieren. Diese kluge Finanzpolitik führte dazu, dass das Land im Achtzigjährigen Krieg aufrüsten und das eigentlich viel stärkere Spanien besiegen konnte. Dessen König Philipp II. zahlte nämlich seine Schulden nur selten zurück und hatte deshalb Probleme, seine Schlachten zu finanzieren.

Von Prunk und roten Haushaltsbüchern

König Philipp II. war nicht der Einzige, der die Sache mit den Schulden auf die leichte Schulter nahm. Wer schon einmal durch Versailles spaziert ist, weiß: Ludwig XIV. liebte es prunkvoll, ausschweifend und vor allem teuer. Das stehende Heer, die unzähligen Kriege sowie die aufwändige Hofhaltung verschlungen immense Geldsummen. Staatsanleihen mit verlockenden Zinsen waren eines von unzähligen Mitteln, um die riesigen Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Doch die Zahlungsfähigkeit des Monarchen war so schlecht, dass auch diese Maßnahme das Ruder nicht mehr herumreißen konnte. Die Verschwendung des Geldes, der Geist der Aufklärung, Missernten sowie die fehlende politische Mitsprache und Ausbeutung der Bauern führten schlussendlich zum Bankrott und dem Sturm auf die Bastille. Die Französische Revolution hatte begonnen.

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Die französische Revolution verlangte nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Foto: © Hasan Almasi

Die Banken sollen’s richten

Bis zum Hals in tiefroten Zahlen steckte auch der englische König William III. Das Volk hatte längst durchschaut, dass das geliehene Geld selten wieder den Weg zurück in ihre Taschen fand. Die Wirtschaft ächzte unter der Schuldenlast und der Krieg gegen Frankreich fraß dem König die Haare vom Kopf. Zu diesem Zeitpunkt tritt der schottische Kaufmann und Bankier William Paterson auf das Parkett. Seine Idee: die Gründung einer „Bank of England“ im Jahr 1694. Ihr erster begeisterter Kunde: König William III. höchstpersönlich. Die Gläubiger: rund 1200 Interessenten, die lieber der Bank als dem König ihr Geld liehen. Der König willigte ein und erhielt von der Bank eine Summe von 1,2 Millionen Pfund – ein Quantensprung in der Risikominimierung von Staatsschulden.

Einen Handel von Anleihen an der Börse gab es übrigens bereits seit dem 16. Jahrhundert in Antwerpen. In Österreich wurde die Wiener Börse 1771 von Maria Theresia am Kohlmarkt gegründet und war damals noch eine Zwangsbörse zur staatlichen Kapitalaufbringung nach französischem Vorbild, wobei zu Beginn mit Anleihen, Wechseln und Devisen gehandelt wurde.

Der größte Kapitalgeber: das Gewissen

 „Wer die Kriegsanleihe zeichnet, bahnt den Weg zum Frieden“ prangt in Großbuchstaben auf dem Werbeplakat. Den Geliebten an der Front helfen. Endlich das Kriegsende herbeiführen. Sich für den Sieg engagieren. Patriotismus, Zusammenhalt und Gewinnsucht waren die emotionalen Knöpfe, welche die Propaganda während des Ersten Weltkrieges drückte, um zum Kauf von Kriegsanleihen aufzurufen. Diese waren damals das wichtigste Finanzierungsinstrument zur Deckung der Ausgaben für die Kriegsmaschinerie sowohl in Österreich-Ungarn als auch im Deutschen Reich. Plakate, Zeitungsartikel, Broschüren, Werbehefte, Flugblätter und Vorträge sollten dazu animieren, dem Staat finanziell unter die Arme zu greifen. Im Gegenzug wurde den Gläubigern eine sichere und attraktive Geldanlage versprochen. Geld, das nach dem verlorenen Krieg nie wieder zurückgezahlt werden konnte.

Nach dem Hochmut kommt der Fall

Wer gut schlafen will, kauft Anleihen, und wer gut essen will, bevorzugt Aktien.

André Kostolany, Börsen- und Finanzexperte (1906 – 1999)

Nach dem Ersten Weltkrieg und einer Hyperinflation im Jahr 1923 kam es schlussendlich zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, wachsendem Wohlstand sowie einem deutlichen Anstieg des Konsums. Das Kursbarometer stieg immer weiter, wobei viele Anleger ihre Aktienkäufe über Kredite finanzierten. Das Spekulationsfieber befeuerte die Aktienkurse, sodass eine enorme Blase entstand, die letztlich 1929 mit einem ohrenbetäubenden Knall platzte – der Rest ist Geschichte. Nach der Großen Rezession und der Weltwirtschaftskrise gewannen Anleihen wieder an Attraktivität, denn Staatspapiere oder gesicherte Bankeinlagen ließen die Anleger ruhiger schlafen. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde der Börsenhandel mehrmals eingestellt.

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Anleihen wurden immer wieder von Wirtschaftskrisen gebeutelt. Foto: © Markus Winkler

Ölpreisschocks, explodierende Rohstoffpreise, eine sich immer schneller drehende Inflationsspirale. Die Siebziger waren wahrhaftig wilde Jahre und ließen den Puls von Anlegern dank steigender Zinsen und Volatilität immer wieder in die Höhe schnellen. Zwar gab es damals positive Renditen, die himmelhohe Inflation versetzte diesen aber einen ordentlichen Dämpfer. In den 1980er-Jahren begannen immer mehr börsennotierte Unternehmen ohne Investment-Grade-Rating spekulative Anleihen auszugeben, sogenannte „Junk Bonds“, wodurch das Handelsvolumen am Anleihenmarkt stark anstieg. Diese und andere Gründe brachten das Kartenhaus an der Börse jedoch 1987 zum Einstürzen. Der 19. Oktober ging als „Schwarzer Montag“ in die Geschichte ein.

Das Schicksal der Staatsanleihen

Drei Jahre Negativzins bei deutschen Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Ein Rekordtief, welches Investoren berechtigterweise fragen lässt: „Lohnt sich das überhaupt noch?“ Schließlich möchte jeder sein Geld wachsen und nicht durch die Finger rinnen sehen. Ganz anders sah die Situation noch vor rund dreißig Jahren aus. In der Dekade 1990 bis 2000 lag die laufende Rendite für die deutschen Bünde zwischen 3,5 und über 9 Prozent. Auch in der darauffolgenden 10-Jahresperiode lag das durchschnittliche Renditeniveau noch bei über 4 Prozent. Zahlen, von denen Anleger heute nur mehr träumen können.

Und das trotz zweier Krisen: der Technologieblase (Dotcom-Blase) im Jahr 2000 und der Immobilienblase, welche schließlich zur Finanzkrise 2008/2009 führte. Die Folge: die Staaten schnürten Rettungspakete für die Banken und versuchten Griechenland mit vereinten Kräften aus dem Schuldensumpf zu ziehen. 2015 startete die EZB ein Anleihekaufprogramm, um die Märkte aus der Finanzkrise mit Geld zu versorgen und die Inflationsrate auf etwa unter zwei Prozent zu bringen. Seit 2010 befinden sich die Renditen für Staatsanleihen im stetigen Abwärtstrend – ein Fass ohne Boden?

Im Rahmen unserer jährlichen Jahresausblicksveranstaltung, welche aufgrund der aktuellen Lage für unsere Kund:innen per Video-Stream aufgezeichnet wurde, liefert unser CIO Christian Nemeth erste Antworten auf diese Fragen. Im nachfolgenden Video finden Sie die wichtigsten Kernaussagen des Vortrages zusammengefasst. Wie es mit Anleihen weitergehen kann und welche anderen Anlage-Trends sich abzeichnen, können Sie bald in Teil Zwei dieses Artikels hier im Online-Magazin lesen.


Rechtliche Hinweise
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte allgemeiner Natur sind und keine Anlageberatung oder sonstige Anregungen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten darstellen. Weitergehende Informationen entnehmen Sie bitte den Rechtlichen Hinweisen.

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