Investition ins Blaue: Kryptowährungen zwischen Hoffen und Bangen
von Simone Populorum
Bitcoin, Ether (ETH), Cardano, Dash, Ripple und wie sie alle heißen. Kryptowährungen sind seit ein paar Jahren in aller Munde und werden als Nährboden für Millionäre gehypt. Und als großes Risiko. Als Anleger:in fragt man sich: Ebenfalls auf den Zug aufspringen oder lieber Finger weg davon?
Wir werfen einen Blick hinter die Fassade von Kryptowährungen und fragen Gerald Schrei, Asset Manager bei der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, wie er diesen Trend für das Private Banking einordnet.
Krypto wird gesellschaftsfähig
Laut einer Studie des Handelsverbandes haben 14 Prozent der Österreicher:innen mittlerweile in Bitcoin & Co investiert. Vier Prozent haben sogar schon mit Kryptowährungen bezahlt. Auch der Online-Handel hat sich inzwischen auf den Boom eingestellt. Laut einer Paysafe-Studie akzeptieren bereits 23 Prozent der heimischen Onlineshops Kryptowährungen im Check-out. Wäre es also nicht längst Zeit, mit dem Strom zu schwimmen? Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie unbefriedigend: es kommt darauf an. Und zwar auf die individuelle Risikobereitschaft, die persönlichen Anlageziele, den Anlagehorizont sowie die jeweilige finanzielle Situation.
Blockchain – eine Revolution?
Die Technologie, auf der die meisten Kryptowährungen, wie auch Bitcoin, basieren, ist die der sogenannten Blockchain. Ganz vereinfacht gesprochen ist eine Blockchain eine Kette an Transaktionsinformationen, also eine Art digitales Kassabuch. Durch eine Blockchain wird es möglich, digitale Informationen ohne eine zentrale Verwaltungsstelle, wie beispielsweise ein Bankinstitut, unveränderbar abzuspeichern. Getätigte Transaktion werden dabei als Datensatz in Form eines Blocks aufgezeichnet, wobei sämtliche Informationen zur Bewegung des Assets abgespeichert werden. Die so entstandenen Blöcke bilden zusammen eine logische Datenkette hinsichtlich Zeitpunkt und Reihenfolge der Transaktionen. Grundsätzlich haben alle Netzwerkteilnehmer:innen Zugriff auf die Blockchain. Eine Transaktion kann im Nachhinein nicht mehr verändert oder manipuliert werden, was eine der größten Stärken dieser Technologie ist.
Die Blockchain-Technologie wird zwar meistens im selben Atemzug mit Kryptowährungen genannt, sie kann ihre Stärken aber auch in anderen Bereichen wie dem der Vermögensverwaltung ausspielen. Die Zürcher Kantonalbank in der Schweiz wickelte im Rahmen eines Pionierprojekts bereits im Jänner 2021 gemeinsam mit FundsDLT eine Fondstransaktion mittels Blockchain ab. Anstatt von mehreren Stunden benötigte man für den Vorgang dadurch nur wenige Minuten. Dies reduziert nicht nur Kosten, sondern sorgt auch für eine Verbesserung des Kundenerlebnisses sowie eine höhere Effizienz im Abwicklungsprozess.
Kein Trumpf ohne Kehrseite
Der Vorteil der Blockchain besteht weiters darin, dass dieses System Peer to Peer, d.h. von Person zu Person, funktioniert. Infolgedessen kann darin jede Person ihr Geld tauschen oder bezahlen. Regierungen oder Zentralbanken haben keinen Einfluss auf die Transaktionen. Kryptowährungen agieren somit unabhängig von Banken und Staaten. Auf der anderen Seite werden Cyberkriminalität, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung erleichtert, da es keine Kontrollinstanz gibt.
Kryptowährungen sind extremen Schwankungen ausgesetzt, weil es viele Spekulant:innen auf dem Markt gibt. Kurse verändern sich häufig stark und unvorhersehbar. Der heutige Wert leitet sich im Wesentlichen von den Erwartungen darüber ab, wie stark die Nachfrage in Zukunft sein wird. Während man in einem Moment noch im Rausch des Kursgewinnes schwelgt, gerät das Blut beim nächsten Kursabsturz kurze Zeit später in Wallung. Investor:innen bewegen sich bei Kryptowährungen stets auf dünnem Eis. Deshalb gilt es für sich selbst festzulegen, wie viel Risiko man bereit ist einzugehen und welches Ziel mit der Investition verfolgt werden soll.
Insbesondere aufgrund der starken Kursschwankungen liegt ein weiteres Manko von Kryptowährungen wie z.B. Bitcoin darin, dass sie sich nicht als Recheneinheit für Güterpreise eignen. Dies erschwert auch den Einsatz von Bitcoin als Tauschmittel oder stabiles Wertaufbewahrungsmittel. In Betracht gezogen werden Kryptowährungen daher aktuell vorwiegend als Anlageklasse mit hohem Spekulationsrisiko.
Nicht außer Acht gelassen werden sollte darüber hinaus das Thema Nachhaltigkeit. Denn aufgrund der immensen Rechenleistung beim sogenannten „Mining“ ist die bedeutendste Kryptowährung, Bitcoin, ein wahrer Stromfresser. Beim Mining geht es grundsätzlich darum, sämtliche Transaktionen aufzuzeichnen, sie zu verarbeiten, abzusichern und alle Nutzer:innen im Netzwerk zu synchronisieren (Validierungsprozess). Der Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index gibt an, wie viel Terawattstunden pro Jahr durch Bitcoin verbraucht werden. Aktuell liegt der Wert bei 91,10 Terawatt (Stand 10.8.2022). Im Vergleich dazu hatte Deutschland 2021 einen Energieverbrauch von 565 Terawatt (Quelle: Stromverbrauch | Umweltbundesamt).
Von der Krise gebeutelt: Kryptowährungen im Sturzflug
Wie schnell sich das Blatt wenden kann, zeigen die aktuell hohen Kursverluste bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Seit dem Höchststand Anfang November 2021 bis Mitte Juni diesen Jahres gab der Kurs um 73 Prozent nach und die digitalen Währungen sorgten für Negativschlagzeilen. Skeptiker:innen fühlen sich dadurch bestätigt, während Krypto-Befürworter:innen Schnäppchen wittern.
Ein Einflussfaktor war wahrscheinlich der Zusammenbruch des Krypto-Projekts „Terra“ mit den digitalen Währungen Stablecoin Terra USD (UST) und Terra LUNA-Coin im Mai 2022 – und das, obwohl der Stablecoin als „relativ“ sicher galt. Celsius Networks, einer der größten Anbieter von Krediten basierend auf Kryptowährungen, stoppte darüber hinaus Mitte Juni 2022 sämtliche Transaktionen zwischen den Konten, um seine Liquidität zu bewahren. Das Vertrauen der Anleger:innen ist durch die aktuellen Entwicklungen stark geschwächt.
Kryptowährungen im Privat Banking: im Gespräch mit Asset Manager Gerald Schrei
Der Markt für Kryptowährungen ist ins Straucheln geraten und steht mehr denn je auf wackeligen Beinen. Nichtsdestotrotz beschäftigt das Thema Investor:innen und Finanzexpert:innen. Im Gespräch mit unserem Asset Manager Gerald Schrei, der seit 1994 in der Bankenbranche tätig ist, fühlen wir den Kryptowährungen nochmals auf den Zahn. Wir wollen wissen: Sind die digitalen Coins eine wirkliche Alternative zu klassischen Finanzprodukten oder gibt es aktuell einfach zu viele Stolpersteine?
Wie wird aktuell im Asset Management der Zürcher Kantonalbank Österreich mit Kryptowährungen umgegangen?
Wenn es um Kryptowährungen und Blockchain geht, gibt es meistens vorwiegend extreme Lager. Die Eiferer hegen hartnäckig die Hoffnung vom Geldsegen, während Kritiker die digitalen Währungen immer wieder an den Pranger stellen. Wir im Assetmanagement stützen uns allerdings immer auf bewertbare Investitionen. Die Schwierigkeiten bei Kryptowährungen liegt einerseits in ihrer hohen Volatilität in Verbindung mit fehlenden Bewertungsmöglichkeiten. Zudem gibt der Regulator bzw. Gesetzgeber dem Dachfondsmanager derzeit noch wenig Spielraum.
Sind Zertifikate eine sinnvolle Alternative zum Kauf von Kryptowährungen?
Streng genommen nicht. Zertifikate bilden den Kurs einer Kryptowährung nach, sodass Investor:innen an deren Wertentwicklung in Form von Wertpapieren teilhaben und diese handeln können. Kryptowährungen müssen dafür allerdings nicht besessen werden. Das damit verbundene Emittentenrisiko ist schon alleine ein Ausschließungsgrund. Der Begriff „Emittentenrisiko“ bezeichnet dabei die Gefahr, dass der Herausgeber von Wertpapieren seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Der fehlende Bezug zu Inflation bzw. zur Absicherung von höherer Inflation ergibt keine Alternative zu klassischen Investments am Kapitalmarkt.
Welche Barrieren sprechen aktuell gegen eine Berücksichtigung von Kryptowährungen als eigene Assetklasse?
Wie zuvor beschrieben, gibt es keine „reine“ Investitionsmöglichkeit innerhalb des österreichischen Investmentfondsgesetzes. Unsere Mandate sind aber zu der überwiegenden Mehrheit an dieses Gesetz gebunden. Darüber hinaus ist eine Bewertung von Blockchain-Technologien mit klassischen Finanzmodellen – noch dazu von sehr vielen unterschiedlichen Coins bzw. Systemen – sehr schwer bis gar nicht möglich. Diese Unberechenbarkeit mit der zuvor schon erwähnten hohen Volatilität erzeugen ein negatives Umfeld und bedeuten viel Zurückhaltung bei der Bewertung von Kryptoassets.
Was müsste sich ändern, damit Kryptowährungen mehr Beachtung im Portfolio finden können? Wird Potenzial für die Zukunft gesehen?
Erst bei Vorliegen von geeigneten Investmentvehikeln kann über den nächsten Punkt nachgedacht werden. Die breite Streuung der Coins ist mit Sicherheit kein Vorteil. Die unterschiedliche Gestaltung, das Risiko des Diebstahls oder Verlustes des eigenen Sicherheitsschlüssels erschweren mögliche Investitionen. Ihr Potenzial außerhalb der „Technologiekreise“ ist aus Sicht des klassischen Investors sehr begrenzt bzw. schwer einschätzbar. Gerade die fehlenden intrinsischen (realen/inneren) Werte sind als natürliche Barriere zu verstehen.
Was wird sich durch eine zunehmende Krypto-Regulierung ändern?
Grundsätzlich widerspricht eine Krypto-Regulierung dem Produkt Krypto an sich. Die Deregulierung – die Freiheit – stellt die Basis von Krypto dar. Die Abhängigkeit von Notenbanken und Regierungen ist bei Krypto DER Hintergrund Nummer Eins und würde durch Regulierung konterkariert und unterlaufen.
Rechtliche Hinweise
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte allgemeiner Natur sind und keine Anlageberatung oder sonstige Anregungen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten darstellen. Weitergehende Informationen entnehmen Sie bitte den Rechtlichen Hinweisen.
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