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Was ist uns unsere Zukunft wert?

Zukunft ist ohne Herkunft nicht zu haben. Die Frage ist, ob ein Zuviel davon auch im Weg stehen kann – weil sie verhindert, dass wir uns öffnen und nach ihr strecken.

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Wer sich hinauslehnt in den Zukunftsraum, wird gut beraten sein, sich im Jetzt gut anzuhalten. Denn manche sind schon aus dem Fenster gestürzt, als sie das Neue – in der Gestalt des noch Unbegriffenen – greifen wollten.

Das Projekt der europäischen Moderne kann als unbedingte Ausrichtung auf das Neue gelesen werden, das zunehmend zum Maßstab dafür wird, dass etwas Wert hat. Diese Fixierung führte dazu, dass damals, irgendwann im 18. Jahrhundert, auch die ersten Museen entstanden – als Orte der Aufbewahrung von Dingen, die im Sog des Neuen auf der Strecke blieben. Doch weil man nicht alles erinnern und aufbewahren konnte, musste parallel dazu auch das Vergessen weiterentwickelt werden; genauso wie das Wegwerfen, um Platz zu schaffen für das Neue.

Sie sehen, wie sehr die Dinge zusammenhängen. Genauso wie das Neue ohne das Alte konturlos bleibt, wird auch Veränderung nur gelingen, solange der Boden, auf dem wir uns bewegen, halbwegs stabil ist. So bleibt uns in einer Welt, die sich sprunghaft ändert, nichts anderes übrig, als dass wir uns laufend an die neuen Umgebungsbedingungen anpassen, um nur halbwegs die Gleichen zu bleiben. Das weiß auch Christian Nemeth, Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich, wenn er von den Schwierigkeiten erzählt, eine in der Vergangenheit erfolgreiche Strategie in die Zukunft hochzurechnen. „Ein wichtiger Teil unseres Geschäfts sind Zukunftsprognosen. Und diese Prognosen müssen wir aus gegenwärtigen Daten und Verhältnissen ableiten.

» Zukunftsbewältigung ist ein Mix aus Planung und Flexibilität. «

Christian Nemeth

Erfolgreiche Zukunftsbewältigung bedeutet für uns, dass wir den richtigen Mix finden zwischen Planung und Elastizität, damit wir nicht nur langfristig das Richtige machen, sondern auch kurzfristig auf neue Herausforderungen reagieren können.“ Mit anderen Worten: Stabilität ist ohne Veränderung nicht zu haben. Wer das verinnerlicht hat, wird eher verhalten applaudieren, wenn die Jungen aufstehen und fordern, dass alles anders werden muss, obwohl genau das ihr gutes Recht ist.

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Foto: © ribkhan

Die Jungen – wie ticken sie?

Wir sprechen von der Zukunft, als wäre klar, wovon wir sprechen. Auch wenn die Zukunftshorizonte der Generationen, die sich des Themas annehmen, verschiedener nicht sein könnten. Früher war alles anders und der Blick auf die Zukunft weitgehend unverstellt.

Wer in den 60er- oder 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts geboren ist, gehört zu denen, „die es einmal besser haben sollten.“ Und dieses Besser war letztlich nur eine Frage der Anstrengung und des guten Willens. Nach den Babyboomern war die Generation X (ab 1966) die erste, die im Wohlstand groß geworden ist. Danach kamen mit der Generation Y (1981 bis 1995) die jungen Erwachsenen der Jahrtausendwende (Millennials) – die letzten, die das Internet nicht mit der Muttermilch aufnahmen.

Sind wir mit der nächsten Generation Z (nach 1995) mit dem Alphabet und mit unserem Latein wirklich am Ende? Oder ist das Ende einfach ein Übergang – von Latein auf Griechisch, von Z zu Alpha? Zweifellos hat die Zukunft heute etwas von einem Damoklesschwert, das bedrohlich über unseren Köpfen hängt. Unser Verhältnis zu ihr ist eines auf Pump und die Frage ist, wie die Jungen angesichts einer zunehmend sich verflüchtigenden Zukunft ihre Gegenwart noch genießen können. 

» Ernten und Säen gehören zusammen. «

Heribert Trunk

In dieser allgemeinen Verunsicherung ist Bevormundung jedenfalls fehl am Platz, ebenso Besserwisserei. Das betont auch Heribert Trunk, renommierter Logistikunternehmer aus Bamberg und Kunde der Zürcher Kantonalbank Österreich, der 2003 mit „Chance – Jugend“ die 50. Don Bosco Stiftung gründete, weil er „spürte, dass da etwas Entscheidendes aus der Balance geraten ist. Um das zu sehen, muss man sich als Mensch der postindustriellen Gesellschaft zurückbeamen in die Agrargesellschaft und mit der einfachen Wahrheit konfrontieren, dass ernten und säen zusammengehören.“

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Trunk, der sich selbst als typischen Mittelstandsunternehmer bezeichnet, denkt in Generationen und nicht in Börsenrallies. Deshalb gehört für ihn der ganzheitliche Blick zum täglichen Geschäft: „Wenn ich Menschen nur ausbeute und in den Burn-out treibe, habe ich nicht verstanden, dass so nichts wachsen kann.“ Diese Balance aus Geben und Nehmen wiederherzustellen gelingt nur, wenn man bereit ist zuzuhören – so wie es Giovanni Don Bosco Mitte des 19. Jahrhunderts in Turin vorlebte, indem er Jugendliche von der Straße holte und sie nicht mit Werten und Zurechtweisungen bombardierte, sondern ihnen ihre Wertigkeit zurückgab: „Sage mir, wo du hinwillst, und ich helfe dir dabei.“

Hubs of Hope

nennen die Zukunftsforscher Matthias Horx, Cornelia Kelber und Christof Lanzinger die Hoffnungsregionen für eine globale Zukunft. Orte, an denen sich die Lebensbedingungen der Menschen innerhalb kürzester Zeit massiv verbessert haben. Das Interessante dabei ist, dass viele dieser „Knotenpunkte der Hoffnung“ ehemalige Krisenregionen sind. Weil oft gerade in Krisen alte Strukturen zerschlagen und damit ganz neue Zukunftsräume und Möglichkeiten geöffnet werden. 

Ali Mahlodji, EU-Jugendbotschafter in Europa, geht da sogar noch einen Schritt weiter, wenn er den Jugendlichen folgenden Rat mit auf den Weg gibt: „Höre nicht auf die anderen. Höre nicht darauf, was die anderen (Erwachsenen) sagen. Probiere dich aus und negiere deine Schwächen.“

Was auf den ersten Blick unverantwortlich klingt, ist auf den zweiten Blick unsere einzige Chance. Die Verrücktheit, die in der Jugend liegt, sollten wir nicht versuchen, geradezurücken und in vertraute Bahnen zu lenken, solange sich das, was in diesen Bahnen passiert, zum Teil gegen Grundprinzipien der Ökologie und des Zusammenlebens richtet – zumal die Kritik an der entfesselten Version des Liberalismus mittlerweile in der Mitte von Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft angekommen ist und in den Ritzen des Alten ein neues Wir zu wachsen beginnt. Co-Working, Co-Living, Co-Creation heißen die Zutaten einer neuen Ökonomie des Teilens.

Das Gute daran ist, dass diesen „Big Business Change“ mittlerweile die Vögel von den Dächern pfeifen. Und, dass damit gesundes und nachhaltiges Wirtschaften schon lange nicht mehr den Träumenden vorbehalten ist, sondern mittlerweile ein neues Unternehmertum auszeichnet, das seine gesellschaftliche Rolle und die Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen ernst nimmt. Ein aktuelles Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom April 2021, indem erstmals „Klimaschutz als Menschenrecht“ – als Teil der „intertemporalen Freiheitssicherung“, wie es heißt – formuliert wird, bestärkt diese Hoffnung.

Ohne die Stimmen der nächsten Generation – denken Sie an Kinderrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg oder Plant-for-the-Planet-Gründer Felix Finkbeiner – wäre das wohl nicht passiert. 

Zukunft entschlüsseln

In seinem Buch „Mind Set! Wie wir die Zukunft entschlüsseln“ (2006) widmet sich John Naisbitt der Frage, wie wir die Zusammenhänge des Wandels verstehen können. Darin sammelt er zehn kluge Regeln, wie man mit Trends umgehen oder NICHT umgehen sollte. Hier eine Auswahl, die auch als Anleitung für nichtlineares Denken gelesen werden kann:
Mindset 1: Während vieles sich verändert, bleibt das Meiste bestehen.
Mindset 2: Die Zukunft ist Teil der Gegenwart.
Mindset 5: Betrachten Sie die Welt als Puzzle.
Mindset 7: Der Widerstand gegen Wandel fällt, sobald seine Vorteile ersichtlich sind.
Mindset 8: Dinge, die wir erwarten, geschehen stets langsamer, als wir denken.
Mindset 9: Resultate erzielen Sie nicht, indem Sie Probleme lösen, sondern indem Sie Chancen wahrnehmen.

Ist Digitalisierung unsere Rettung?

Es gehört mittlerweile zum Common Sense, dass wir die Grenze des Machbaren erreicht haben. Was dabei nicht bedacht wird, sind die Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen wären. Denn das hieße, dass wir auch unser Verhältnis zur Technologie als der neuen Heilsbringerin überdenken. Zu automatisieren, weil es prinzipiell automatisierbar, das heißt machbar ist, erweist sich langfristig als problematischer Zugang. Auch weil wir geneigt sind, Maschinenverhalten zu vermenschlichen und uns damit in immer neue Abhängigkeiten begeben, wie der italienische Philosoph Roberto Casati zu bedenken gibt: „Maschinen agieren nicht, sie bewegen sich bloß. Ihre Dummheit ist ihre Stärke.

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Ein Google Car will nicht zu einem Restaurant in San Francisco fahren. Es wird nur mit dem Weg dorthin gefüttert. Wir müssen lernen, die Vermenschlichung des Maschinenverhaltens endlich abzulegen. Das sind Maschinen, und man kann ihnen einen Fußtritt geben.“ Das mit dem Fußtritt könnte ein Ansatz sein, der uns hilft, im Umgang mit Technologie erwachsen zu werden und die entscheidende Frage zu stellen: Welche Tätigkeiten überlassen wir der Maschine und welche beanspruchen wir für uns, weil sie uns als Menschen ausmachen?Eine Frage, die nicht nur das Machbare wieder hinter das Wünschbare stellt, sondern auch den Umstand mitbedenkt, dass jedes neue Medium, das wir einsetzen, um unsere Sinne zu erweitern und zuzuspitzen, auch bewirkt, dass andere Fähigkeiten dadurch verkümmern.

Wie schnell und radikal das gehen kann, sieht man bei den Inuit auf der Insel Igloolik, im Nordwesten Kanadas. Sie waren perfekt an die arktische Umgebung angepasst und im Winter selbst unter widrigsten Bedingungen in der Lage, ihre Jagdwege zu finden, weil sie Wind, Schneemuster, Tierverhalten, Sterne, Gezeiten und Strömungen zu lesen und zu interpretieren wussten. Nachdem sie zur Jahrtausendwende von der Regierung mit GPS-Systemen „unterstützt“ wurden, häuften sich schon nach wenigen Jahren die Unfälle aufgrund von Satellitenausfällen – einfach, weil die jungen Jäger nicht mehr wie früher langsam an das jahrtausendealte Orientierungswissen herangeführt wurden und auch sonst beim Jagen mehr auf die GPS-Anweisungen als auf die Landschaft achteten.

» Maschinen agieren nicht, sie bewegen sich bloß. Ihre Dummheit ist ihre Stärke. «

Roberto Casati

Zu weit hergeholt, denken Sie? In dieselbe Kerbe schlägt ein „Sicherheitshinweis für Piloten“, den die amerikanische Bundesluftfahrtbehörde (FAA) 2013 veröffentlichte; veranlasst durch Untersuchungen nach Abstürzen und Zwischenfällen, die eindeutige Hinweise lieferten, dass Piloten durch übermäßige Verwendung des Autopiloten und anderer computergesteuerter Systeme ihre Fähigkeit verlieren, auf unerwartete Situationen und in Notfällen präzise und schnell zu reagieren.

Es sieht beinahe so aus, als ob der Verlust Teil des Spiels wäre. Mit den geeigneten Werkzeugen können wir vielleicht schneller sein, weiter sehen, exakter navigieren, besser entscheiden – um den Preis, dass wir an der Stelle, wo die Technologie eingreift, ein taubes Gefühl entwickeln. Vor diesem Hintergrund ist es nachgerade beruhigend, dass für Michael Walterspiel, Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich, „Technologie nur ein probates Mittel für allerlei Zwecke ist, nie aber das Ziel selbst. Unsere entscheidende Frage ist: Wie können wir Technologie und die damit verbundenen Informationsströme intelligent nutzen? Das heißt, wir investieren in die technologische Basis, um die Komfortansprüche unserer aktuellen, aber auch zukünftigen Kundinnen und Kunden bestmöglich zu bedienen. Aber die Gestaltung dieser für uns wesentlichen Beziehungen werden wir auch in Zukunft nicht aus der Hand geben. Auch weil wir wissen, dass sich viele Fragen besser durch Haltung lösen lassen als durch Technologie.“

» Technologie ist nur ein probates Mittel, aber nie das Ziel selbst. «

Michael Walterspiel

Wo also beginnt die Zukunft und wie kann man hoffen lernen?

Heute, das steht fest, liegt die Zukunft nicht mehr auf der Straße. Sie ist nicht mehr etwas, worüber wir zufällig stolpern, sondern etwas, was wir suchen müssen. Wer Zukunft will, muss sich anstrengen und muss ins Denken investieren. Weil heute gleichzeitig die Sparzinsen gegen null tendieren, scheint die Entscheidung aufgelegt. Aber so einfach ist es nicht. Wikipedia deutet auf die altgermanische Wurzel des Verbs sparen – im Sinne von „unversehrt erhalten“, aber auch „aufbewahren“ und „schonen“. Vielleicht geht es heute darum, beides gleichzeitig tun: investieren UND bewahren – aber wie soll das gehen?

Früher investierte man in Güter, Gegenstände, Anlagen, Produkte. Und dieses Investieren stand meist auf Kriegsfuß mit jeder Form der Schonung von Menschen und Umwelten. Heute stellt sich die Frage, was nachhaltiges, das heißt „bewahrendes“ Investieren ausmacht. Wolf Lotter schreibt in der Zukunftsausgabe des „brand eins“-Magazins, dass es an der Zeit ist, dass wir in Talente investieren, in Beziehungen und in uns selbst. Also in Dinge, die wir lieben und die uns etwas bedeuten. Vielleicht sitzt dann eines Morgens die Zukunft wieder vor der Tür.

ZKBOE_Magazin_Plus_Zukunft_Nachhaltigkeit_GuglerNachhaltigkeit in der Praxis: Druckerei gugler*

Wie zukunftsorientiertes Wirtschaften geht, sieht man in Melk an der Donau. „Auf der Schön“ lautet die klingende Anschrift der Druckerei gugler*. Und damit Schönes – wie die Natur – auch schön bleibt, setzt das Unternehmen seit Jahren auf Nachhaltigkeit. Dabei ist gugler* aber nicht auf einen Trend mit Dringlichkeitscharakter aufgesprungen, sondern hat eine Pionierrolle übernommen. Das fing 2000 beim Neubau des Betriebsgebäudes an – geheizt wird mit der Abluft der Druckmaschinen, gekühlt mit Grundwasser, das durch die Wände geleitet wird – und hört bei den zertifiziert ökologischen Druckprodukten noch lange nicht auf. Klimaneutrales Webhosting, Kreislaufwirtschaft, eigener Gemüsegarten für die Mitarbeiterküche, Gemeinwohlstrategie – der konsequente Weg, den Ernst Gugler mit seinem Unternehmen eingeschlagen hat, ist ein Weg mit Vorbildwirkung. Schön, dass wir mit diesem Magazin ein Stück des Weges gemeinsam gehen.

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