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Foto: © Sabine Klimpt

Zwischen Mattersburg und Liverpool

Ein Gespräch zwischen den Generationen.

Es gibt drei Ebenen des Zuhörens. Man kann ganz seiner eigenen Reaktion auf das Gesagte lauschen. Dann erliegt man im Normalfall seinen Apropos oder seinen Wertungen und bleibt im vertrauten Nest der eigenen Bilder hängen. Oder man hört wirklich, was das Gegenüber sagt.


Die dritte Möglichkeit ist eine Zuspitzung der zweiten. Sie hört auch, wie etwas gesagt, wird und auch das, was ungesagt mitschwingt. Warum wir uns im Gespräch, vor allem mit jungen Menschen, oft mit der ersten Ebene zufriedengeben, hat wohl damit zu tun, dass wir als Ältere fälschlicherweise annehmen, in diesen Momenten vom Lernen befreit zu sein. Wir glauben, etwas vorauszuhaben – womit wir nicht ganz falsch liegen, wenn wir die Strecke meinen, die hinter uns liegt. Aber was sind in diesem Fall zurückgelegte Kilometer, wenn sie das Hören erschweren?


Julia Schmit ist eine selbstbewusste und sehr offene junge Frau. Wir treffen sie in der elterlichen Wohnung in Wien, in der sie aufgewachsen ist. Keine strategische Entscheidung, wie sie betont, sondern einfach dem Umstand geschuldet, dass ihre eigene klein und ihr Freund darin gerade am Arbeiten ist. Julia Schmit ist 25 und schreibt sich am Ende mit nur einem „t“, was zur Sache nichts beiträgt. Das einzige Bild, das Google von ihr auswirft, ist ihr Profilbild auf Instagram. Dort teilt die leidenschaftliche Köchin vor allem Kochrezepte, keine beiläufigen Einträge aus ihrem Leben, wie es sonst üblich ist.


Hinter und neben ihr hängen Originale zeitgenössischer österreichischer Künstler. Bilder, die eigentlich ein bisschen mehr Raum bräuchten, um wirklich zur Geltung zu kommen, denke ich mir. Und gleichzeitig ärgere ich mich über mein Statement im Kopf, das versucht, Dinge richtigzustellen, zu beurteilen, wo niemand danach fragt. Stattdessen frage ich sie, wie weit ihr Zukunftshorizont reicht. Ob es wohl drei Tage sind oder drei Jahre oder 30 Jahre? Julia – wir sind inzwischen per Du – wirkt nachdenklich, ohne dadurch in eine Schwere zu kippen: „Im Grunde bin ich schon eher eine Planerin“, meint sie. „Eine, die schon mal ein Jahrzehnt vorausspringt oder das Jahr in Monate und Etappenziele einteilt. Aber gerade in letzter Zeit versuche ich verstärkt, den imaginären Kalender im Kopf beiseitezulegen und mich vom Leben überraschen zu lassen.“

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Während andere über das Glück philosophieren, lebt sie ihn, den Augenblick. Foto: © Sabine Klimpt

Wie schnell alles anders sein kann, hat sie im nächsten Umfeld vor ein paar Jahren erfahren. Mit dem plötzlichen Tod ihres Vaters wurde alles überschattet, was gerade zu blühen begann. Heute kann sie die Türen sehen, die sich damals öffneten. Lockerer ist sie geworden, als Persönlichkeit ist sie gewachsen und auch zum Sport, der sie immer schon begleitete, hat sie eine neue, andere Nähe entwickelt. Wenn Julia Schmit spricht, dann spürt man eine sehr natürliche, an nichts haften bleibende Wertschätzung, die positiv irritiert. Vielleicht ist es diese als Unbekümmertheit verkleidete Neugier, die so sympathisch ist. Eine Neugier, die da ist, ohne aufzufallen. Eine Neugier der kleinen Schritte. „Das ist so wie beim Laufen. Man hat ein Ziel, aber laufen muss man auf der Stelle.“

»Man hat ein Ziel, aber laufen muss man auf der Stelle.«

Julia Schmit ist begeisterte Sportlerin – aktiv und passiv, wie sie betont. Wobei ihre Art, passiv zu sein, auch ziemlich aktiv ist, wenn sie mitfiebert, sich auf die Seite wirft oder hochspringt, sobald sich Slalomstangen biegen oder der Ball im Netz zappelt. Diese magischen Momente, wenn ein Spieler von Mattersburg – dem Heimatclub ihres Vaters und ihrer Initiationsstätte – die Hände hochreißt oder ihr Marcel mit seinen Skiern tanzt. Diese augenblickslange Ekstase, wenn etwas gelungen ist, aller misslingenden Möglichkeiten zum Trotz. Julias Augen leuchten, wenn sie davon erzählt. Sie hat eine Ahnung davon, dass sie damit DAS Glück nicht fassen kann. Aber es reicht ihr, den Moment zu fassen und ganz in ihm aufzugehen. Während andere über das Glück philosophieren, lebt sie ihn, den Augenblick, der ja bekanntlich die Pforte ist, über die wir ins Glück eintreten.
Inzwischen ist Mattersburg finanziell ruiniert und Marcel Hirscher, der nicht viel älter als Julia ist, in Pension gegangen. Aber so ist das Leben. Dinge ändern sich. Und der Blick nach vorne bleibt unverstellt. Solange man jung ist. Zumal es ja da auch noch Rapid gibt, ihre Hütteldorfer Alternative, oder den FC Liverpool, mit dem Julia seit einem Jahr noch etwas anderes verbindet. Denn ein Trikot dieses Clubs, das ihr Freund in der Disco trug, gab den Ausschlag, dass sie tat, „was man normalerweise nicht tut. Ich bin hin und hab ihn einfach angesprochen.“ Und so wurde aus der Urlaubsbekanntschaft eine Beziehung. Und aus dem geteilten Passivsport ein aktiver Bestandteil ihres Lebens. Aber das ist eine andere Geschichte.

Auf die Frage nach ihren persönlichen Glücksmomenten fällt Julia Schmit eine Episode aus ihrem Sportlerleben ein.
Es war mein letzter Halbmarathon und ich war superschnell. Da kam nach dem Rennen jemand zu mir und sagte: „Nur wegen dir bin ich so schnell gelaufen!“ Das hat für mich diesen Moment mit Glück gefüllt, weil ich wusste, dass ich nicht nur schnell war, sondern auch jemand anderen mitgezogen habe. Dass meine Leistung jemand anderen besser gemacht hat.

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Julia Schmit hat ein Masterstudium in Finanzwirtschaft und Rechnungswesen abgeschlossen. Und sie ist diplomierte Fitness- und Personaltrainerin. Was die Zukunft angeht, ist sie unentschieden: Ernährungsberaterin oder doch in der Steuerberatung Fuß fassen, wo sie in einer Halbtagsanstellung beschäftigt ist? „Es wird sich alles weisen.“
Julia Schmit ist seit der Krebsdiagnose ihres Vaters Kundin der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, die ihr in Finanzbelangenberatend zur Seite steht und dabei hilft, das ererbte Vermögen langfristig und umsichtig anzulegen.

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