Druckerei Roser goes future: Peter Buchegger über sein Erfolgsrezept
von Wolfgang Tonninger
Diese Geschichte beginnt 1997 in Seattle am Pike Place Fischmarkt – obwohl Peter Buchegger nie dort war. Aber ein gewisser John Christensen war dort und kam aus dem Staunen nicht heraus, als er dem einen Fischverkäufer auf die Finger sah, der seine Lachse durch die Luft wirbelte und damit nicht nur die Passanten unterhielt, sondern auch beim Verkauf die Konkurrenz in den Schatten stellte. Peter Buchegger hat John Christensen nie getroffen, aber er hat Jahre später seinen Bestseller in die Hände bekommen und inhaliert, in dem er die „Fisch-Philosophie“ entwickelt hat. „Es sind letztlich Nuancen, die entscheiden, ob du erfolgreich bist oder nicht. Und es beginnt alles mit der Haltung, mit der du dich auf die Welt zubewegst und damit den entscheidenden Unterschied produzierst“, bringt Peter Buchegger seine Übersetzung auf den Punkt.
Der Sprung von Seattle nach Mayrwies ist schnell gemacht. Mit einem Schnitt, wie er filmischer nicht sein könnte. Wir sind bei einem informellen Mittagessen Mitte 2012, als ihm – dem mehr oder weniger branchenfremden – das Angebot vom damaligen Eigentümer unterbreitet wurde, die Geschäftsführung der renommierten Druckerei Roser zu übernehmen. „Was? Wie? Und: Wo ist die versteckte Kamera?“, waren seine ersten Reaktionen. Es wurde am Ende ein Mittagessen, das ihm noch zahlreiche schlaflose Nächte bereiten sollte. Bis seine Entscheidung feststand – allen Unkenrufen der Brancheninsider zum Trotz – die gedanklich schon mit dem Filetieren des Unternehmens begannen. „Aber diese Möglichkeit, ohne Einschränkung in die Gestaltung zu gehen, konnte ich nicht ausschlagen“, erinnert sich Peter Buchegger. „Den entscheidenden Hinweis gab damals meine Familie, die auf die Leerstelle zeigte, die entstanden wäre, wenn ich es nicht versucht hätte.“
Noch einmal die Komfortzone verlassen
Peter Buchegger ist von seinem Naturell her alles andere als ein Gambler. Aber dieser Moment war für den damals 53-jährigen ein Augenblick in seinem Leben, in dem er „All-in“ gehen und sich selbst beweisen musste, dass er es erstens kann und zweitens dazu bereit ist – mit seiner Erfahrung, mit seiner Präsenz, mit seiner Spielfreude und seinem Mut, es anders zu machen. Wer Seattle mitdenkt, weiß, wovon die Rede ist.
Und so ging alles Schlag auf Schlag. Peter Buchegger verließ nach 27 Jahren das Papierunternehmen Europapier Austria, das er von einem lokalen Player zum Marktführer in Mittel- und Osteuropa mit aufgebaut hatte, und betrat 2013 das Neuland Roser – nicht polternd, sondern bescheiden und zuhörend. „Ich hatte keine Ahnung von dem, was ich da machen sollte. Und so zog ich mir einen blauen Overall über und habe meinem Vorgänger, der mich einschulen wollte, mitgeteilt, dass er mich in den nächsten Wochen wenig sehen wird. Ich musste ja wissen, was meine Leute machen.“ Jetzt sehe ich es: das leicht verschmitzte Lächeln, das Stolz und Bescheidenheit spielerisch miteinander vereint. „Für meinen Vorgänger, der Führung anders lebte, war das ein No-Go. Er war davon überzeugt, dass ich damit den Respekt der Roser-Mannschaft verlieren werde. Im Nachhinein habe ich ihn mir damit verdient. Aber ganz ehrlich: Das Thema Respekt war mir zu diesem Zeitpunkt vollkommen egal. Ich wollte meine Unsicherheit ablegen und dazu musste ich bis ins Detail verstehen, wie das Unternehmen funktioniert.“ Und so hat der gelernte Kaufmann, der wie die Jungfrau mit dem Kind plötzlich an der Spitze eines Hightech-Unternehmens stand, in den nächsten Monaten jede Unternehmensschraube eigenhändig gelockert und wieder angezogen.
Und: Wie stand es da? – Das Unternehmen Roser im Jahr 2013, frage ich Herrn Buchegger – auf jede Antwort gefasst. „Es stand ganz ausgezeichnet da. Aber ich sah auch, dass es an der Zeit war, das Unternehmen von innen heraus neu zu denken.“ Was sich konkret verändert hat seit 2013, frage ich nach? „Alles!“, schießt es aus ihm heraus – mit dem Zusatz: „Aber das sagt nichts über den Zustand des Unternehmens, als ich es übernommen habe. Ich konnte wunderbar auf das aufsetzen, was mein Vorgänger geschaffen hat; mein Business-Modell drüber stülpen und das Unternehmen neu ausrichten. Sonst wären wir nicht dort, wo wir heute sind.“
Roser goes future
Wenn Peter Buchegger von Transformation spricht, denkt er ganzheitlich und meint einen Prozess, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt. Das beginnt beim Führungsstil, setzt sich fort in einem kompromisslosen Bekenntnis zu Qualität, umfasst das gesamte Maschinen-Management und endet mit einer Revolution in den Bereichen Nachhaltigkeit und Umwelt.
Doch wo anfangen? Peter Buchegger wirkt wie ein Jongleur, der vier Bälle in der Luft hält und dabei überlegt, wie er einen fünften dazunehmen kann. Aber lassen Sie uns einmal bei den vieren bleiben: Unternehmenskultur, Qualität, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit. Die Reihenfolge ist beliebig, solange die Kultur an erster Stelle steht: „Das Wichtigste in meinem Unternehmen bin nicht ich, und es sind auch nicht die Maschinen – die kann sich jeder kaufen, der Geld hat. Das Wichtigste sind meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Sie halten mir den Rücken frei, sodass ich mich darauf fokussieren kann, wo meine Stärken liegen. Auch die Idee, die Sache mit der Qualität bis ans absolute Limit auszureizen, war nur umzusetzen, weil alle im 50-Personen-Betrieb diese Fokussierung angenommen und verinnerlicht haben.“
Eine neue Kultur in Sachen Qualität und Führung
Die Geschichte, die ich hier erzähle, beginnt also im Sommer 2012 und sie endet lange, nachdem wir das Mikro ausgeschaltet haben. Denn erst der abschließende Rundgang durch das Unternehmen zeigt, welche Art Chef der Teamplayer Buchegger ist und wie er tickt. Egal, ob in der Druckvorstufe oder an den Bogendruckmaschinen – beinahe überall gibt es Kleinigkeiten, die überraschen. Alte Heidelberg-Oldtimer stehen neben Hightech-Maschinen, die bis zu 18.000 Stück pro Stunde schaffen und das in acht Farben. Und dazwischen erinnert ein alter Setzkasten, in den sich ein Mitarbeiter verliebt hat, daran, auf wessen Schultern die Druckerei steht. Auch das ist Teil der Qualitätskultur, dass man das Bewährte zu schätzen weiß – und die Emotion hinter den Zahlen.
Und so bleibt der mögliche Output von 18.000 Stück pro Stunde abstrakt wie eine Tachometermarkierung. In der Praxis hat man sich – aufgrund des selbst auferlegten Qualitätscredos – die Obergrenze bei 14.000 gesetzt: „Wir haben in internen Testreihen festgestellt, dass wir ab 15.000 minimale Qualitätseinbußen in Kauf nehmen müssten. Das heißt, es beginnt physikalisch etwas zu passieren, das wir nicht unter Kontrolle haben. Wohlgemerkt: Das sind Nuancen, die wahrscheinlich keinem Kunden auffallen würden. Aber wir wollen einfach in keinem Bereich Abstriche machen – das ist unsere Philosophie – weder bei der Qualität noch bei der Zuverlässigkeit.“ Diese Philosophie ist auch ein Grund, warum bei Roser jeder Abschnitt im Druckprozess doppelt bestückt (und damit ausfallsicher) ist und „nur“ im Zweischicht-Betrieb gefahren wird. „Dadurch haben wir immer einen Puffer in Form einer möglichen dritten Schicht, wenn es technische Probleme gibt und wir haben im Normalbetrieb genug Zeit, um den Maschinen auch Ruhezeiten zu gönnen und sie so zu servicieren, dass sie langfristig 100%ige Qualität liefern können.“
Purpose kommt vor dem Gewinn
Eine von Peter Bucheggers Stärken ist, dass er die Vogelperspektive auf das eigene Unternehmen pflegt. Die brachte ihn auch dazu, frühzeitig – und bevor Greta Thunberg sich in Stockholm 2018 vor die Schule setzte – das Thema Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit in einer Branche ernst zu nehmen, die lange Zeit als umweltbelastend verschrien war. „Heute drucken wir mit Farben, die man eigentlich essen könnte, haben den Wasserverbrauch auf ein absolutes Minimum reduziert und beziehen 40 % unserer Energie aus der Fotovoltaik am Dach. In meinem persönlichen Visionspapier habe ich uns das Ziel gesetzt, dass wir 2025 energieautark sind – aber so wie es aussieht, sind wir das schon früher.“
Peter Bucheggers Augen glänzen. Er spürt den unheimlichen Drive, den er mit seinem Pioniergeist in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Gang gesetzt hat. „Als wir begonnen haben, gab es nichts Vergleichbares. Ich habe mit Brüssel telefoniert. Mit den Nachbarn geredet. Mit der Salzburg AG. Bis die Idee gezündet hat und der Funken übergesprungen ist. Energiegemeinschaften, wie unsere hier in Mayrwies, die die erste privatwirtschaftlich initiierte in Österreich ist, gehören zu den Eckpfeilern, wenn wir die Energiewende schaffen wollen. Warum? Weil gelingende lokale Projekte, die auch ökonomisch Sinn machen, die beste Werbung sind für das neue Denken!“
Ein Tausendguldenschuss in Sachen Werbung war auch der kürzlich erschienene Artikel im renommierten National Geographic-Magazin über ihn als Visionär und seine Druckerei. „Irgendwie scheint es so, dass sich die Dinge immer besser zusammenfügen und unsere Leidenschaft belohnt wird. Wir wachsen seit 10 Jahren – in einer Branche, die eigentlich nur am Schrumpfen ist. Und das ohne Außendienst und nur über Mundpropaganda.“ Was Peter Buchegger an dieser Stelle nicht erwähnt, sind die extra Runden, die er und sein Team eingelegt haben, um die Farbqualität beim Druck auf dem heiklen Naturpapier in den Griff zu bekommen. Damit Ökologie und Ästhetik nicht länger auf Kriegsfuß stehen. Das sind die Nuancen, die am Ende zählen. Womit wir wieder am Anfang wären.
Peter Buchegger
geboren 1960
verheiratet, eine Tochter
Lebensmittelpunkt: Gmunden am Traunsee
Leidenschaft: Basketball (brachte es bis ins Junioren-Nationalteam)
Karriere: Peter Buchegger war 27 Jahre lang für das Papierunternehmen Europapier Austria tätig. Im Jahr 2013 übernahm er die Druckerei Roser als Geschäftsführer.
Führungsstil: Teamplayer
Vision: Roser als energieautarkes Unternehmen, das im Bereich Qualität neue Maßstäbe setzt
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