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Veränderung als Lebenselixier: Silvia Richter über den Faktor "Mensch" im Finanzgeschäft

Wolfgang Tonninger im Gespräch mit Silvia Richter, die als neues Mitglied des Vorstands der Zürcher Kantonalbank Österreich für das Ressort Private Banking verantwortlich zeichnet.

Eine große Halle. Hektisches Treiben. Die Stimmung aufgeheizt. Menschen, die gestikulieren und Zettel hochhalten. Wild durcheinanderrufende Menschen. Und Zahlen. Überall. Auf digitalen Bändern. Auf Computer-Screens, wohin das Auge sieht. Die New Yorker Wallstreet in den 1990er Jahren. Und mittendrin: Silvia Richter, die in ihrer Ausbildung zum Broker bei Merrill Lynch lernte, Entscheidungen in Sekundenschnelle zu treffen und diese nun mit der äußersten Knappheit von zwei Worten in das Getümmel wirft: „buy“ oder „sell“.

Schnitt. Wien, erster Bezirk. Hegelgasse 6. Wir sitzen im stilvollen Besprechungsraum der Zürcher Kantonalbank Österreich. Rund um uns die großformatigen Exponate von Simon Quendler, dessen alchemistische Topographien die Grenzen des Tafelbilds beinahe spielerisch überschreiten. Die Augen von Silvia Richter funkeln, wenn sie an die Zeit in New York zurückdenkt, wo sie sich in der Metropole der Finanzwelt behaupten musste – auch gegen Vorurteile und Klischees: „Diese Fähigkeit, in kürzester Zeit die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist ja kein männliches Monopol. Ich wehre mich seit ich denken kann gegen solche Zuschreibungen. Denn im Grunde ist es mir immer um das Inhaltliche gegangen, um die Möglichkeit zu gestalten, und nicht um Oberflächlichkeiten wie Reputation oder Karriere.“

Die große Welt, die sich in der kleinen spiegelt

Wenn Silvia Richter von den Stationen ihrer Laufbahn erzählt, dann kann man das Abenteuer beinahe schmecken. Keine geradlinige Karrierelinie, die im 45 Grad Winkel nach oben zeigt, sondern stattdessen eine verschlungene Lebenskurve mit ausgeprägten Höhen, aber auch einigen Tiefpunkten, die sich mit einem gewissen Abstand wie ein Schwungholen lesen. In ihrer Lehre als Hotel- und Gastgewerbeassistentin im Wiener Inter-Continental Hotel schnupperte sie zum ersten Mal den Duft der großen Welt. Nach weiteren knapp zwei Jahren in einem japanischen Hotellerie-Start-Up folgte ein kurzes Zwischenspiel in einer Treuhandfirma, bevor sie bei Merrill Lynch in die Geheimnisse des Finanzmarktgeschäftes eingeweiht wurde. „Die Finanzwelt hat mich fasziniert, doch die rosarote Brille habe ich bald abgenommen. Vor allem die Schattenseiten des schnellen Trading-Geschäfts — bei dem es am Ende nur um das Wohl des Kapitals geht und nicht auch um das Wohl des Menschen — haben mich zunehmend abgestoßen.“

Als es dann Anfang der 2000er Jahre nach 9/11 zu einer großen Schließungswelle in der internationalen Brokerwelt kam, verabschiedete sich die damals knapp 30-jährige Silvia Richter nach acht Jahren – trotz eines sehr verlockenden Angebots – von Merrill Lynch und innerlich auch von der DNA börsennotierter Konzerne. Und so ging es für die nächsten Jahre zu Privatbankiers: zunächst zu Sal. Oppenheim, ehe sie mit 36 Jahren in den Vorstand der Bank Hottinger berufen wurde. „Hier konnte ich mein Unternehmer-Gen ausleben. Ich war weisungsfrei und hatte die Möglichkeit, das Geschäft in Österreich aufzubauen. Und – was entscheidend war – ich konnte über den Tellerrand blicken und meinen ganzheitlichen Zugang zur Vermögensarchitektur weiterentwickeln. Ein Zugang, der die Menschen und ihre ganze Lebenssituation in den Mittelpunkt stellt.“

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Der Reiz des Private Bankings liegt für Silvia Richter in der Begegnung mit Menschen. Foto: © Siegrid Cain

Es ist für die Tochter eines Brigittenauer Elektrowarenhändlers bezeichnend, dass sie das Unternehmen auch dann noch weiter begleitete, als es, für alle überraschend, nach sechs Jahren geschlossen wurde: „Da war es für mich selbstverständlich, auch diesen Prozess der Liquidation ordnungsgemäß zu managen und die betroffenen Menschen – Kunden wie Mitarbeiter – bis zum Schluss zu begleiten. Dabei habe ich wieder einmal extrem viel gelernt, weil ich noch nie zuvor so alleine war mit meinen Entscheidungen. Hier in Europa hört die Fehlerkultur immer noch dort auf, wo sie die eigene Karriere berührt. Das ist in Amerika ganz anders. Dort ist man geradezu verdächtig, wenn man solche existenzielle „Lernphasen“ nicht aufweisen kann,“ schmunzelt Silvia Richter, die diese Umbruchzeit auch dazu nutzte, eine systemische Ausbildung zur Coach und Organisationsentwicklerin erfolgreich abzuschließen: „In meiner ersten Auszeit nach 25 Jahren Non-Stop-Working.“

Richtungsentscheidungen

Und dann? „Dann hatte ich zunächst mal genug vom Banking,“ kommt es wie es aus der Pistole geschossen. Wer Silvia Richter kennt, weiß, dass sie das auch durchgezogen hätte, wenn da nicht im Mai 2015 diese Grußbotschaft von Christian Nemeth und Hermann Wonnebauer auf ihrem Schreibtisch gelandet wäre. „Und damit, ganz unerwartet, diese Aussicht auf einen wirklich sinnstiftenden Rahmen. Geboten von zwei Menschen mit Handschlagqualität, die ich bei Sal. Oppenheim kennen und schätzen gelernt habe. Plötzlich wusste ich, wie sehr ich mich danach gesehnt hatte.“

Silvia Richter lächelt. Wieder einmal. Das Lächeln gehört zu ihrem Wesen. Es ist eines, das in die Tiefe geht – und um die Schatten weiß, die das Licht wirft. Leute, die sie kennen, schätzen ihre Direktheit und ihre Klarheit. Und ihre Art, Menschen und Teams zu führen. „Von hinten“, wie sie betont, „weil ich nur von dort alle(s) im Blick haben kann. Wie in der Schule beim Schifahren – da war ich auch immer das Schlusslicht.“ Silvia Richter, die sich selbst als „angstfreie Leitwölfin“ sieht, hat ihre Resilienz-Lektionen jedenfalls gelernt: „Ich sehe mich als jemanden, der das Tempo vorgibt, damit sich die Wilden links und rechts austoben können. Je bunter und schillernder das Team, umso spannender wird es und umso produktiver können wir sein. Solange es die Führung nicht in den entscheidenden Momenten verabsäumt, die Dinge beim Namen zu nennen und Verbindlichkeit herzustellen.“

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Nach vielen aufregenden Jahren in der Finanzbranche hat Silvia Richter bei der Zürcher Kantonalbank Österreich ihren Platz gefunden, wo sie im Juli 2023 in den Vorstand aufrückte.

Und wie weiß das Rudel um die Richtung? „Wer von mir Fünfjahrespläne erwartet, wird enttäuscht sein. Ich bin überzeugt davon, dass die wichtigsten Aufgaben beim Zuhören Gestalt annehmen und dass es wichtiger ist, die Richtung an der nächsten Weggabelung zu kennen, als andauernd den Horizont zu fixieren. Vieles, was Richtung betrifft, ist am Ende aus der Haltung ableitbar. Und da stehe ich für einen Führungsstil, der von Vertrauen, Direktheit und Humor geprägt ist – nach innen und nach außen, wohlgemerkt.“  Wenn man Silvia Richter zuhört, spürt man, wie nah beieinander Mitarbeiterführung, Employer Branding und Vertrieb bei der Zürcher Kantonalbank Österreich liegen. Weil es unterm Strich um die Menschen geht, die sich von den hier gelebten Werten angezogen fühlen.

Beim Hinausgehen lasse ich meinen Blick noch einmal durch die aktuelle Ausstellung schweifen. Und als wir uns in der Tür die Hand geben, greift Silvia Richter meinen Gedanken auf, den ich gar nicht ausgesprochen habe: „Auch das hat etwas mit Zurückgeben und der DNA einer Kantonalbank zu tun. Dass wir hier als Vermittler für junge Künstler agieren und Menschen zusammenbringen. Natürlich, ohne eine Kommission für die Bilder zu verlangen. Aber das versteht sich ja von selbst, oder?“

Nein, denke ich mir. Selbstverständlich ist das alles nicht.

Porträt_Silvia_Richter_Private_Banking_ZKBÖ Silvia Richter

  • Seit 1.7.2023: Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Mitglied des Vorstandes (Ressort Markt)
  • Seit 2015: Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Direktorin Private Banking Wien und Leitung Standort Wien
  • 2006 – 2013: Hottinger & Partner AG (Wien), Vorstand & Partner
  • 2002 – 2006: Sal. Oppenheim & Cie. (Wien), Abteilungsdirektorin
  • 1994 – 2002: Merrill Lynch International Bank AG, Senior Financial Consultant, Wien
     
  • 2014: Masterlehrgang Coaching, Organisations- und Personalentwicklung / Sigmund Freud Universität, Wien
  • 2003: Ausbildung zum Certified Financial Planner (CFP®)
  • 2003: Ausbildung zum European Financial Advisor (EFA®)
  • 1996: Series 7 / Börsenzulassungsprüfung New York Stock Exchange (NYSE)

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