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Weitblick mit System: Edgar Stemeseders Gespür für das Fenster von morgen

Wolfgang Tonninger im Gespräch mit Edgar Stemeseder, Geschäftsführer der STEMESEDER Holding.

Obwohl das Unternehmen G.S. STEMESEDER mit seinen 327 Mitarbeitern kein klassisches Mittelstandsunternehmen mehr ist, ist es durch und durch ein Familienunternehmen geblieben. Das unterstreicht auch das wandfüllende Schwarz-Weiß-Foto im Eingangsbereich der Unternehmenszentrale in Hof bei Salzburg, auf dem sich drei Generationen Stemeseder rund um ein viertes Lachen gruppieren.

Doch bevor wir Zeit haben, uns weiter in dieses Familienbild zu vertiefen, kommt uns Edgar Stemeseder bereits mit offenen Armen entgegen: „Guten Morgen! Schön, dass Sie da sind.“ Wir betreten sein großzügiges, helles Büro, in das präparierte Wildtiere aus einer anderen Welt ihre Köpfe recken und lassen uns an einem großen Holztisch nieder. Er wird im Zuge des Gesprächs auch immer wieder Spielfläche sein, um über Oberflächen- und Farbästhetik zu debattieren und Fenstermuster unter die Lupe zu nehmen. Doch bevor wir so richtig einsteigen, besuchen wir die Produktausstellung in der Lobby, um die Kernprodukte ins Visier zu nehmen. „Unser USP ist kein abgehobener Marketing-Gag, sondern etwas, das man betrachten und anfassen kann. Deshalb bringt ein konkreter Blick oder ein simpler Praxistest oft mehr als 1000 Worte“, meint Edgar Stemeseder, während er mir das Einmaleins der Produktpalette nahebringt.

Ein Lottosechser für jeden Gutachter

Schnell wird klar, dass es bei G.S. STEMESEDER nicht um Fenster geht, sondern – beinahe philosophisch – um „Lösungssysteme für Maueröffnungen“, wie er es nennt. Das Pikante daran ist, dass diese Auslassungen im Mauerwerk nicht nur dem Hinausschauen sowie Ein- und Ausgehen dienen, sondern gleichzeitig „die Schwachstellen sind, die für 50 Prozent der Schäden an Gebäuden verantwortlich sind. Und warum?“ – Herr Stemeseder blickt mich freundlich und zugleich herausfordernd an und setzt fort, ohne auf meine Antwort zu warten: „Weil das genau die Schnittstellen sind, an denen die Verantwortungsbereiche unterschiedlicher Professionisten am Bau zusammentreffen, ohne sich zu überlappen. Statt Lösungen gibt es hier in der Regel Schuldzuweisungen. Daran hat sich im Fensterbau die letzten 50 Jahre nichts geändert. Die Hersteller bauen Fenster und der Rest interessiert sie nicht. Dabei ist ein Fenster nur ein! Bestandteil der Maueröffnung.“

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Edgar Stemeseder wurde bereits in jungen Jahren mit dem Unternehmergeist vertraut gemacht und übernahm schließlich 1999 das familiäre Unternehmen, das er erfolgreich neu ausrichtete und in die Zukunft führte. Foto: Siegrid Cain

Edgar Stemeseder weiß, wovon er spricht, hatte er doch sein Erweckungserlebnis beim eigenen Hausbau. Als er den Pfusch bei den Übergängen zwischen den Fenstern, den dazugehörigen Fensterbänken und dem Leibungsputz sah, konnte er es anfangs nicht glauben und ließ alle beteiligten Experten zu sich kommen, die ihm das erklären sollten – doch erstens wollte niemand einen Fehler gemacht haben und zweitens schob man die Verantwortung jeweils auf den anderen. „Da kam mir die Idee, die Maueröffnungen neu zu denken und aus diesen unliebsamen Übergängen Nahtstellen zu machen, bei denen alle Teile perfekt zusammenspielen.“ Das war die Geburtsstunde des PERFECT-Fenstersystems, das die Firma Stemeseder seit ein paar Jahren in neue Höhen führt – auch wenn der Startschuss im Pandemienebel zunächst verhallte. „Das Problem war, dass die Firmen in dieser Zeit nur ihre überfüllten Lager leeren wollten und nicht offen waren für diese Innovation.“

Aber Edgar Stemeseder ist keiner, der bei der ersten Erschütterung das Handtuch wirft. Er sieht sich zur alten Garde der Firmenkapitäne gehörend, die es gewohnt sind, mit ihren Entscheidungen am Ende allein zu sein, auch wenn die See rau ist. „Das ist kein Nachteil für ein Unternehmen, solange man offenbleibt und zuhören kann. Schlimm ist, wenn man sich von Krawattenträgern, die keine Ahnung vom Metier haben, vom Weg abbringen lässt.“ Und so verfolgt Herr Stemeseder seine Ziele mit ganzer Hingebung, wenn er von etwas überzeugt ist. Wie ein Falke, der eine Beute ausmacht und sie dann nicht mehr aus den Augen lässt – obwohl es von unten vielleicht so aussieht, als würde er nur mit der Thermik spielen und seine Kreise ziehen. „Ideen hat schnell einer. Man muss auch die Überzeugung, das Durchhaltevermögen und den Mut haben, sie trotz störenden Gegenwindes aus dem Markt zu verfolgen.“

Auf sein Erfolgsgeheimnis angesprochen wird der leidenschaftliche Unternehmer nachdenklich und kämpferisch zugleich: „Das Geheimnis ist, nicht nur den Markt zu kennen und damit die Schwächen des Mitbewerbs, sondern auch die Möglichkeiten des eigenen Betriebes richtig einzuschätzen. Und dann – ganz wichtig – braucht man auch ein Gespür für den Endverbraucher.“ Damit wären wir wieder beim Erweckungserlebnis des Häuslbauers Stemeseder, der als unmittelbar Betroffener über die Idee stolperte.

Wenn er damals seine großen Kunden im B2B-Bereich gefragt hätte, hätte ihm niemand geraten, die Idee weiter zu verfolgen – da ist sich Herr Stemeseder sicher und ergänzt: „Kein Wunder, dass der Widerstand vor allem von den Fensterherstellern kam, die mit ihren Insellösungen groß geworden sind. Ich bin in den 60ern mit dem Blaupunktradio im Auto aufgewachsen. Aber wo ist Blaupunkt heute? Die sind weg! Weil mittlerweile alles in eine Lösung integriert wurde – Telefon, Radio, Navigationssystem, GPS, Internet. So wird es auch dem Fenster gehen – als einem Bestandteil der Maueröffnung. Heute geht es darum, Wärmedämmung, Feuchtigkeitsschutz, Sonnenschutz, Schallschutz, Insektenschutz und Absturzsicherung in einer Lösung zu denken.“

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Bei G.S. STEMESEDER, einem inhabergeführten Familienunternehmen, steht generationsübergreifendes Denken im Vordergrund, fernab von kurzfristigem Quartals- oder Profitdenken. Foto: Siegrid Cain

Vom Anfang bis zum großen Switch

Zur richtigen Zeit das richtige Produkt mit dem richtigen Preis am richtigen Ort anzubieten – das ist natürlich der Traum jedes Unternehmers. Edgar Stemeseder wurde dieser Traum zwar nicht in die Wiege, aber in den Kinderwagen gelegt. Als seine Mutter die ersten Pakete des neu gegründeten Unternehmens im Untergeschoß des Kinderwagens zur Post brachte – den zweijährigen Buben oben auf. Das war 1966 in Hallein. „Unser halbes Badezimmer war damals Lager für den Handelsbetrieb mit Produkten rund um Fenster und Türen.“ Und so trat Edgar langsam in die Fußstapfen seines Vaters Georg und lernte den Betrieb von der Pike auf kennen – vom Ferienjob über das Lager, den Außendienst und so weiter, bis er im Jahr 1999 das gut entwickelte Unternehmen übernahm und: neu dachte.

Wer jetzt ein Generationenduell vermutet, liegt falsch. Die Übernahme ging überraschend reibungslos – auch, weil der Zeitpunkt goldrichtig und der Vater bereit war, den in die Jahre gekommenen Handelsbetrieb loszulassen. „Die ersten zwei Monate“, erinnert sich Edgar Stemeseder, „habe ich immer damit gerechnet, dass er wieder bei der Tür hereinkommt, aber das ist nie passiert. Er hat, genauso wie ich in der Umstellung vom Handels- zum Produktionsbetrieb die Zukunft des Unternehmens gesehen. Oder er hat es zumindest gespürt und mir jede Freiheit gelassen, weil er sich dort einfach nicht mehr gesehen hat.“

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Holz, als Naturmaterial, strahlt Wärme und Geborgenheit aus. Dank des außenliegenden STEMESEDER-Holz-Aluminiumsystems entfällt das lästige Nachstreichen von Fenstern im Gegensatz zu reinen Holzfenstern. Foto: Siegrid Cain

Diese auch investitionstechnisch einschneidende Wendung durchzuziehen, war für den damals 34-jährigen Edgar so etwas wie die Feuertaufe. Dass diese Kursänderung auch vom Zeitpunkt her richtig war, hat durchaus auch mit Glück zu tun, wie Herr Stemeseder in der Rückschau festhält, nicht ohne einzuschränken: „Ich glaube, dass das Gespür, von dem hier immer wieder die Rede ist, nichts Genetisches ist, sondern etwas, das mit einer Gesamtsicht auf den Markt zu tun hat, die man sich über die Jahre hin aneignet. Die Fensterbranche blieb ja auch für den neuen Produktionsbetrieb dieselbe. Das Glück, das wir als Betrieb haben, war, dass in den schwierigen Zeiten, die jeder Betrieb einmal hat, nicht noch das Pech dazukam.“

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G.S. STEMESEDER investiert konsequent in hochmoderne Produktionsanlagen, um langlebige und erstklassige Produkte zu fertigen. Dabei kann das Unternehmen auf jahrzehntelange Erfahrung im Aluminiumbereich zurückblicken. Foto: Siegrid Cain

Eine neue Kultur in Sachen Qualität und Führung

Edgar Stemeseder ist in der Kür angekommen. Weißes Hemd, dunkelblaue Wolljacke – keine Krawatte! – Zwischen Business und Kaminfeuer. Als Geschäftsführer der Holding hat er die operativen Agenden bereits an seinen Sohn Thomas übergeben. „Meine Aufgaben sind klar definiert: Recht, Banken, strategischer Einkauf, Produktstrategie und“ – kleine, aber gewichtige Pause – „die Aufrechterhaltung des Hausverstands.“

Was wie ein kleiner Seitenhieb auf den Zeitgeist daherkommt, geht bei Edgar Stemeseder tiefer. Er ist einer, der der Sache auf den Grund geht. Etikettenschwindler sind ihm zuwider, genauso wie Scheinlösungen. Und so ist er auch bereit, solange an der Oberfläche zu kratzen, bis die Wahrheit zutage tritt. Oder Wege zu gehen, die andere vor den Kopf stoßen. Dass das nicht immer reibungsfrei passiert, liegt in der Natur der Sache. Beispiel gefällig? Die Oberflächenbeschichtungen bietet die G.S. Stemeseder GmbH traditionell in drei Qualitäten, was dazu führte, dass im deutschen Markt viele B2B-Kunden aus Bequemlichkeit die billige Lösung bestellten, obwohl sie nicht hochwetterfest ist. Die Reaktion von Herrn Stemeseder? Die billige Variante wurde in den Unterlagen mit dem warnenden Hinweis „nicht empfehlenswert“ versehen – was wiederum seine B2B-Kunden verärgerte. Das Hin und Her führte zur filmreifen Pointe, dass die „billigen“, weil qualitativ fragwürdigen Produkte heute teurer angeboten werden als die anderen, hochwetterfesten.

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Im Interview mit Wolfgang Tonninger gewährt Edgar Stemeseder Einblicke in seine Pionierarbeit in der Fensterbranche und betont die Bedeutung von Durchhaltevermögen, um erfolgreich zu sein. Foto: Siegrid Cain

Die Welt von Edgar Stemeseder ist keine ohne Ecken und Kanten. Diplomaten sehen anders aus. Er ist einer, der nicht wegschaut. So viel steht fest. Einer, der das Problem sieht und auch benennt, wenn es unbequem ist. Einer der alten Garde. Mit Handschlagqualität, wie er betont. Einer, der denkt, was er sagt und lebt, was er denkt. Das hat auch mit seinem Erfolg zu tun. Auch wenn er über das Nachhaltigkeitsgerede, wie er es nennt, nur hüsteln kann, geht es ihm bei seinen Fenstersystemen sehr wohl um langfristige Lösungen. „Mein großes Vorbild ist Tokio, sagt er beim Hinausgehen. Diese Stadt ist so sauber, weil dort die Achtsamkeit gegenüber der Umwelt wirklich gelebt wird. Bei uns ist alles nur heiße Luft.“

Edgar_Stemeseder_Foto_InfoboxEdgar Stemeseder

Geborgen 1964, aufgewachsen in Hallein und Mattsee
1966 Gründung des Handelsbetriebes Stemeseder durch seinen Vater Georg
1999 übernimmt er das Handelsunternehmen seines Vaters und baut es zum Produktionsbetrieb um
2008 Eröffnung des ersten eigenen Produktionsstandortes in Koppl
2020 Eröffnung des zweiten Produktionsstandortes in Pinkafeld
2020 Markteinführung des Systems PERFECT
2023 Vertriebskooperation mit dem Branchenführer SCHÜCO

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